SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Serien: Sie haben das Münchner "Sex and the City" erfunden
Mit "Servus Baby" ist Natalie Spinell und Felix Hellmann eine der besten neuen Münchner Serien gelungen: übers Karriere-Streben, das Sexleben von Zweifachmüttern und verzwickte Abenteuer im Dating-Dschungel. Nun gibt es neue Folgen.
Von Josef Grübl
Was verliebte Menschen sich nicht alles zum Fest der Liebe schenken: Glitzersachen, Glücksbringer oder Glasbläserseminare, Bücher, Beautyzeug oder Biersommelier-Kurse. Schwierig wird es erst, wenn der Herzensmann mit einem tierischen Mitbewohner anrückt: "Süße, der jubelt dir doch einen Hund unter, damit du keine Kinder willst", sagt die taffe Mel zu ihrer mitunter etwas naiven Freundin und Neu-Hundehalterin Eve. Das sehen die anderen beiden Freundinnen Tati und Lou ähnlich, die Freude über den kleinen Kläffer währt also kurz, der Babywunsch bleibt. Was Eve sich dann ausdenkt, ist vorsichtig ausgedrückt: eigenwillig.
Natalie Spinell und Felix Hellmann sagen dazu: "Wir wollten die Freundinnen in den neuen Folgen ankommen lassen und gleichzeitig Perspektiven öffnen." Die beiden sind die Köpfe hinter der Fernsehserie "Servus Baby", sie haben zusammen die Drehbücher geschrieben. So auch bei der dritten Staffel, bei der Spinell wieder Regie führte und Hellmann mitspielte: In den neuen Folgen sind die Mittdreißigerinnen Lou, Mel, Eve und Tati im vorweihnachtlichen München unterwegs, in der ARD-Mediathek kann man sich das bereits ansehen. Die TV-Ausstrahlung im BR Fernsehen ist für den 17. Dezember geplant, dann laufen die vier neuen Folgen spätabends am Stück.
Ihre Uraufführung feierten sie im Oktober bei den Hofer Filmtagen, einen Tag nach der München-Premiere im November sitzen Spinell und Hellmann mit kleinen Augen und großem Magen in einem Café im Glockenbachviertel. Es sei eine lange Nacht gewesen, sagt er, sie müssten jetzt dringend etwas essen, fügt sie hinzu. Dazu sollte man wissen: Die Regisseurin und der Schauspieler sind verheiratet und haben zwei kleine Kinder. Sie wurde im Sommer vierzig, er ist vier Jahre älter. Da gehe man nicht mehr so oft aus, sagen beide.
Beim Serienstart von "Servus Baby" vor vier Jahren wurden oft Parallelen zum US-Hit "Sex and the City" gezogen. Der Vergleich hinkte schon damals: Es ging zwar hier wie dort um vier Freundinnen und ihre Abenteuer im Großstadt-Dating-Dschungel, ansonsten hatten die beiden Serien nicht viel miteinander zu tun. Während die Damen aus New York versessen waren auf Schuhe, Sex und Statussymbole, schlugen sich ihre Münchner Pendants mit dem hiesigen Mietwahnsinn und unerfüllten Kinderwünschen herum.
"Servus Baby" ist vielleicht nicht ganz so lustig wie "Sex and the City", dafür aber realistischer und bodenständiger. Ursprünglich sollte es nur eine Serie mit einer einzigen Folge werden: Natalie Spinell studierte Regie an der HFF München, die Pilotfolge dieser Freundinnen-Serie war ihr Abschlussfilm. Die Reaktionen darauf waren aber so gut, dass der Bayerische Rundfunk einstieg. So entstanden zwischen 2018 und 2022 drei Serienstaffeln. In den neuen Folgen geht es um den Kinderersatzhund für Eve, das Sexleben der Zweifachmutter Lou, die Karrierepläne von Mel und um Tatis verzwickte Patchworkfamilien-Situation.
Wie auch in den Vorgängerstaffeln steht in jeder Folge eine der vier Freundinnen im Mittelpunkt. "Für uns ist das ideal", sagt Felix Hellmann, "wenn wir mehr Folgen pro Staffel hätten, würden wir das alleine wohl nicht schaffen." So aber ist und bleibt die Serie ihr Baby - auch in Zukunft. Sie hätten sich vertraglich garantieren lassen, dass nur sie die Geschichte weitererzählen dürfen, sagt sie. Aber geht es denn auch weiter? Das stehe noch nicht fest, sagen beide, das hängt wohl auch mit dem Publikumserfolg der neuen Folgen zusammen.
Es ist gerade eine gute Zeit für Serien, auch aus München, allein im vergangenen Jahr gab es so unterschiedliche heimische Produktionen wie "Fett und Fett", "Der Beischläfer", "Herzogpark" oder "Damaged Goods". Nicht alle von ihnen waren gelungen, "Servus Baby" ist sicher eine der besten neuen Münchner Serien. Trotzdem brauche sie jetzt eine Servus-Pause, sagt Natalie Spinell.
Ihr Mann arbeitete in den vergangenen Jahren weiterhin als Schauspieler, spielte im Fassbinder-Biopic "Enfant terrible" mit und in Fernsehreihen wie "München Mord" oder "Toni, männlich, Hebamme", in "Servus Baby" hat er eine durchgehende Rolle als Arzt. Sie aber war seit ihrem Studienabschluss an der HFF beruflich fast ausschließlich mit dieser Serie beschäftigt. Im Film- und Fernsehgeschäft ist die Stieftochter des Schauspielers Rufus Beck schon fast ihr ganzes Leben, bereits als Sechsjährige spielte sie in Werbespots mit, im Alter von zwölf in ihrer ersten Fernsehserie.
Sie war in Reihen wie "Polizeiruf 110" oder "Soko 5113" zu sehen und sprach bei einer Konzerttournee den Drachen Tabaluga von Peter Maffay. Im Kölner "Tatort" spielte sie in den Neunzigerjahren mehrere Male die Tochter von Freddy Schenk (Dietmar Bär), diese kehrt nun nach mehr als 20 Jahren zurück: Die Folge "Schutzmaßnahmen" läuft am Neujahrstag 2023 im Ersten.
Ihre Ausflüge in die Schauspielerei sind trotzdem selten, sie möchte sich als Regisseurin etablieren. Es gebe auch mehrere Kinoprojekte, sagt sie, unter anderem eines, das sie gemeinsam mit Felix Hellmann geschrieben hat. Welches davon gefördert, finanziert und damit auch gedreht wird, steht aber noch nicht fest. So läuft das in diesem Geschäft, man hat eben immer mehrere heiße Eisen im Feuer.
Natalie Spinell und Felix Hellmann sind ein eingespieltes Paar, das spürt man auch an diesem verkaterten Vormittag im Glockenbachviertel. Kennengelernt haben sie sich vor elf Jahren, seitdem haben sie viel gemeinsam erreicht. Und vielleicht geht es auch irgendwann weiter mit "Servus Baby". Es wäre schön, ihren vier Serienfreundinnen in ein paar Jahren wieder zu begegnen und zu schauen, ob sie den Sprung von den Dreißigern in die Vierziger (oder sogar Fünfziger) gut überstanden haben. Da lacht ihre Erfinderin und sagt: "Dafür müssen wir aber erst einmal selbst Luft holen und uns vom Leben inspirieren lassen."
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